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Interview mit Synapse über den Verein humeyra

Sou Bouy Löw und Lisa Schiess gaben im Namen von humeyra der Zeitschrift Synapse ein Interview über den Verein humeyra.

Synapse: humeyra hat im März nach Beginn des Kriegs in der Ukraine ein Care-Team aufgebaut. Dieses Angebot wendet sich nicht nur an die Flüchtenden, sondern nimmt auch die Situation der Gastfamilien in den Blick. Was sind Ihre Erfahrungen? humeyra: Wir haben das Angebot bewusst so konzipiert, dass auch die Helpers, das heisst die Gastfamilien und Dolmetschenden, die Möglichkeit zur Unterstützung bekommen. Bei den formellen Anmeldungen waren es dann aber meist Flüchtende selbst, die den Kontakt suchten. Häufig meldet sich eine Person über das Formular an, im direkten Kontakt zeigt sich dann, dass vielfältige Kontakte und Beziehungsnetzwerke bestehen, in die wir dann Einblick bekamen. Die Themen sind natürlich vielfältig. Zunächst konnten wir Anliegen erkennen, die übliche Aspekte der Sozialarbeit betreffen: Orientierungshilfe bei Ämtern und Behörden und Fragen zu Arbeit und Ausbildung. Ein ganz grosser Themenbereich sind familiäre Problemsituationen. Häufig wurden auch Kinder angemeldet, die zum Beispiel in der Schule auffällig wurden. Die anhaltende Unsicherheit bezüglich der Situation der in der Ukraine zurückgebliebenen Angehörigen stellt eine grosse Belastung dar. Schliesslich sind es psychische Symptome, die sich zeigen, vor allem Ängste und depressive Symptome. Häufig wird ein Rückzugsverhalten beobachtet. Auf dem Anmeldeformular können auch in der Fremdsprache bereits konkrete Symptome angegeben werden, was eine gezieltere Planung der Unterstützung ermöglicht.

Was sind Ihrer Erfahrung nach Hürden für die Kontaktaufnahme? Aus der Sicht der Flüchtenden ist es häufig schwierig, Hilfe überhaupt anzunehmen. Hier spielt die Angst vor Stigmatisierung eine Rolle. Es ergaben sich manchmal schwierige Situationen, zum Beispiel, wenn eine Anmeldung durch die Gastfamilie erfolgte, sich dann aber zeigte, dass die betreffende Person zunächst gar keine Hilfe annehmen wollte. Während die Gastfamilien die Geflüchteten rasch ermuntern, verschiedene Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, brauchen die Geflüchteten vor allem zu Beginn Schutz, Sicherheit, Ruhe und Konstanz. So hat das geordnete und sichere Unterbringen der Kinder für die meisten Geflüchteten eine ganz hohe Priorität, oft noch vor der Suche nach Hilfsangeboten für sich selbst.

Sie sind selbst Psychologinnen und kennen die Komplexität der Betreuung von Geflüchteten und Traumatisierten. Wie gestalten Sie die Hilfe? humeyra hat einen Pool von Fachpersonen zusammengestellt. Hierbei sind vorwiegend Gesundheitsfachleute aus der Klinischen Psychologie, der Psychiatrie und der Pflege vertreten, ebenso Fachpersonen aus der Sozialarbeit. Wir können keine Langzeit-Psychotherapie anbieten, aber in einer ersten Phase einen Kontakt aufbauen, mit Fachlichkeit und mit Blick auf das System, um dann auch eine Vermittlung zu privaten Praxen oder zur UPK zu erreichen. Insgesamt ist unser Eindruck, den wir auch an Weiterbildungen und Informations- veranstaltungen von humeyra erlebt haben, dass der Grossteil der Konkreten Hilfen von Freiwilligen getätigt wird. Überraschend viele Kontakte und Hilfsangebote ergeben sich auch über das Engagement der Dolmetschenden. Die Solidarität in der Gesellschaft ist nach wie vor gross, der Dank gebührt allen freiwilligen Helpers.

humeyra ist gut vernetzt. Die von der WHO entwickelte Kurzintervention PM+ (Problemmanagement plus) wird von SPIRIT 1, Kooperationspartner von Ihnen, in der Schweiz eingeführt. Wie ist diese Initiative aus Ihrer Sicht zu bewerten? Bei PM+ und den Aktivitäten von Spirit handelt es sich um einen Peer-to-peer- Ansatz. Betroffene helfen Betroffenen, was die üblichen transkulturellen Her- ausforderungen deutlich vermindert. Inhaltlich geht es um eine Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien, die im Einzel- und Gruppensetting angewandt werden können. Es ist wie ein Schneeballprinzip vorstellen, in dem über eine Ausbildung und Weiterbildung von Betroffenen eine zunehmende Anzahl von Menschen erreicht werden kann. Federführend zum Thema PM+ ist in der Region Basel das SRK. humeyra hat hier einen Beitrag zur Einführung und Koordination geleistet, beispielsweise bei der Auswahl der Helpers. Das Projekt ist in Basel am Anlaufen, die strukturierten Trainings für Helpers sind nahezu abgeschlossen, und die Helpers beginnen nun, mit Personen in ihrem eigenen Umfeld erste Interventionen durchzuführen. Als ersten Schritt haben damit alle Helper drei Fälle mit je fünf Sitzungen zu leiten. Dabei ist auch eine qualifizierte Supervision vorgesehen. Der Ansatz bestand bereits vor 2022, hat aber durch die Situation mit der Ukraine mehr Schub erhalten, da die politischen Entscheidungstragende aktiver wurden.